Star Citizen
1982 SET, Graz, Planet Erde
In einem kleinen Haus, südlich der Stadt Graz gelegen, sitzt ein Junge am Boden seines Kinderzimmers und baut leidenschaftlich an seiner LEGO-Mondbasis, die schon fast den halben Boden besagten Zimmers einnimmt. Stein für Stein wird dort zusammengebaut und der Grundstein für die zukünftige Science-Fiction-Begeisterung ist gelegt. Später kommen natürlich Filme wie Star Wars dazu, die ein Freund auf VHS-Videokassette hat, oder Spiele wie Elite auf dem Commodore 64. Seit damals übt das Funkeln der Sterne eine Faszination aus, weckt Neugier und regt die Phantasie an.
Heute bin ich zwar nicht mehr der Junge von damals, doch diese Begeisterung für Science-Fiction, die Vorstellung, mit einem Raumschiff in den Weltraum zu fliegen und neue Welten zu entdecken, die noch nie ein Mensch zuvor betreten hat, ist geblieben. Eine mögliche Karriere als Astronaut wurde dann allerdings doch nicht weiter verfolgt und das Betreten fremder Welten ist auch heute noch nicht Realität, sondern bleibt der Science-Fiction überlassen. Neben Literatur und Filmen, sowie Rollenspielen zu diesem Thema, bieten vor allem Computerspiele einen guten Rahmen für diese Entdeckungsreisen in unendliche Weiten. Doch das Genre der Weltraum-Flugsimulationen oder Space-Sims brachte seit dem Ende der 90er-Jahre nicht mehr viel Neues hervor und wurde von manchen schon für tot erklärt. Ausnahmen wie EVE Online oder die Spiele der X-Serie haben zum Teil interessante Ansätze und finden sicher ihre Nischen, konnten mich aber nie so recht überzeugen.
Eine neue Hoffnung
Im Jahre 2012 sollte sich das ändern. Chris Roberts, bekannt durch Spiele wie Wing Commander, erschien wieder auf der Bildfläche der Spieleindustrie und stellte sein neuestes Projekt vor: Star Citizen.
Angelegt als Crowd-Funding-Kampagne sollten in einem Monat 2 Millionen US-Dollar von Unterstützern eingebracht werden, um potentiellen Publishern und Geldgebern zu zeigen, dass dieses Genre ebenso wenig tot ist, wie der PC als Spieleplattform generell. In diesem Monat wurden dann allerdings über 6 Millionen gesammelt – womit alle damals geplanten Stretchgoals ermöglicht wurden – und der der Geldstrom riss seit dem nicht ab. Während ich diese Zeilen schreibe, steht der Zähler auf knapp 80 Millionen US-Dollar und das Projekt an sich ist mit der Finanzierung und den damit verbundenen Möglichkeiten ebenso gewachsen. Nebenbei wurde es dadurch auch zum erfolgreichsten Crowd-Funding-Projekt überhaupt.
Es wurde jedenfalls eines deutlich gezeigt: Dieses Genre ist nicht tot und hat zweifellos seine (zahlungswillige) Zielgruppe.
Was ist Star Citizen?
Star Citizen ist eine sogenannte Weltraum-Flugsimulation. Das Hauptaugenmerk liegt also darin, mit detailiert gestalteten Raumschiffen durch den Weltraum zu fliegen, Handel oder Bergbau zu betreiben, unerforschte Sternensysteme und Planeten zu entdecken oder – wenn verschiedene Interessen aufeinander prallen – Raumkämpfe auszufechten.
Das Flugmodell ist dabei relativ realistisch. So hat die Masse des Schiffes oder die Platzierung der Steuerdüsen einen großen Einfluss auf das Flugverhalten, ein detailiertes Schadensmodell und eine umfangreiche Simulation der internen Systeme sorgen dafür, dass auch mal Teile des Schiffs ausfallen können, wenn sie Überhitzen, Schaden erleiden oder gerade zu wenig Ressourcen an Bord zur Verfügung stehen.
An Raumschiffen ist für jeden Geschmack etwas dabei. Angefangen bei kleinen Schiffen und Raumjägern für einen Piloten, über Frachter und Multifunktionsschiffe für eine Crew aus mehreren Spielern oder NSCs, bis hin zu großen Fregatten, Zerstörern und Trägerschiffen, die nur mehr von einem eingespielten Team gesteuert werden können. Das Besondere dabei ist nicht nur die Vielfalt an Schiffen, sondern auch, dass diese in-fiction von verschiedenen Herstellern gebaut werden, was man deutlich an den unterschiedlichen Stilen sieht. In der Realität stecken unter anderem namhafte Designer dahinter, die auch schon für Star Wars, Star Trek und andere Hollywood-Produktionen entworfen haben.
Diese Schiffe können im Rahmen des Crowd-Fundings für echtes Geld gekauft werden – wobei immer wieder betont wird, dass man nicht mehr als ein Startpaket für 30 oder 40 Dollar braucht, um alle Spielinhalte erleben zu können. Ein Ziel ist es nämlich, dass man sich alles im Spiel selbst erarbeiten kann und somit (so weit möglich) kein Pay-to-Win entsteht, das weitere Zahlungen erfordert. Wer aber bereits mit einem größeren Schiff starten möchte, bekommt dieses gegen eine entsprechenden "Spende" an den Entwickler.
Doch Weltraumflüge sind nicht der einzige Inhalt von Star Citizen. Zu Beginn soll es etwa 130 entdeckte Sonnensysteme geben (die über sogenannte Sprungpunkte, so etwas wie stabile Wurmlöcher, erreicht werden können), mit liebevoll gestalteten Planeten, verschiedenen Städten darauf und anderen sehenswerten Orten wie Raumstationen, Asteroidenfeldern und vielem mehr. Dabei soll die Umgebung möglichst realistisch und glaubwürdig dargestellt werden, um die best mögliche Immersion zu bieten. Bewohner gehen ihrem Tagesablauf nach, Einkäufe können in verschiedenen Shops erledigt werden und den Kontakt mit seinem nächsten Auftraggeber kann man in einer Bar, einem Bürogebäude oder einer dunklen Seitengasse suchen – je nach dem, welche Aufträge man bevorzugt. Dabei soll eine gute KI dafür sorgen, dass Spieler und NSCs nicht auf den ersten Blick zu unterscheiden sind. Auch sollen Spieler nur etwa 10% der Spielwelt ausmachen und beeinflussen können, damit diese Spielwelt nicht von ein paar Wenigen gekippt werden kann.
Gekämpft wird auch nicht nur mit Raumschiffen. Auf verlassenen Raumstationen, beim Entern eines gegnerischen Schiffes oder in anderen gefährlichen Gebieten können Kämpfe von Mann zu Mann (oder Frau zu Frau) im Ego-Shooter-Stil ausgetragen werden. Selbst Kämpfe in Schwerelosigkeit oder dem Vakuum des Weltraums sind möglich.
Allein oder im Team
Egal ob man lieber allein unterwegs ist oder Aufgaben im Team löst, ob man lieber gegen NSC-Gegner kämpft oder sich im PvP mit anderen Spielern misst – Star Citizen bietet für jeden etwas. Noch vor Release des fertigen Spiels startet die Single-Player-Kampagne Squadron 42 in mehreren Episoden, die in Umfang und Umsetzung anderen Rollenspielen dieses Genres um nichts nachstehen oder sogar neue Maßstäbe setzen soll. Ganz in der Tradition von Wing Commander soll hier eine epische Geschichte erzählt werden.
Nach der Single-Player-Kampagne startet dann das sogenannte Persistente Universum, der eigentliche MMO-Teil des Spiels. Abgesehen vom Reiseziel sollen hier instanzierte Zonen oder ein PvP/PvE-Regler Einfluss darauf nehmen, ob man in den Weiten des Weltraums eher auf NSCs oder Spieler (eventuell der eigenen Region) trifft. Doch ganz sicher darf man sich nie fühlen, denn besonders die dunkleren Ecken des Universums sind kein Ort für verzagte Abenteurer.
Als Unterstützer von Star Citizen, als sogenannter Backer, muss man allerdings nicht auf das fertige Spiel warten, sondern bekommt auch vorher schon etwas geboten. Die einzelnen Teile des Spiel werden vorab als Alpha-Module zum Testen ausgegeben und ermöglichen so den Entwicklern, viel direkter auf die Community einzugehen und von ihr Feedback zu erhalten. Dieser direkte Kontakt zu den Spielern ist etwas, das dieses Projekt auszeichnet und auf das Chris Roberts besonders Wert legt. Auch wenn viele Bugs in den Alpha-Versionen oder die Tatsache, dass nichts fix ist und sich alles noch verändern kann, die Nerven mancher Spieler hin und wieder etwas blank liegen lassen. Doch nicht nur Chris Roberts geht hier neue Wege, was Finanzierung und Veröffentlichung des Spiels angeht, sondern auch die Community muss wohl manchmal noch lernen, damit umzugehen. Selten bekommt man als Konsument ein Spiel in einer so frühen Phase zu sehen, geschweige denn zu spielen. Wer das lieber nicht möchte, ist vielleicht besser beraten, bis zum offiziellen Release von Star Citizen zu warten.
Die besonderen Details
Ich könnte noch lange über die vielen interessanten Details dieses Projekt schreiben. Etwa über die schöne und durchdachte Hintergrundwelt, die zu Beginn des Crowd-Fundings in Form von Time Capsules veröffentlicht wurde und auf der Website der Entwickler laufend um kleine Schnippsel in Form von Geschichten, Nachrichtensendungen, Protokollen von Senatssitzungen usw. erweitert wird. Oder dass für die Jahrhunderte in der Zukunft eigene Baustile entworfen werden und eigens engagierte Linguisten verschiedene Alien-Sprachen entwickeln, damit sich alles glaubwürdig und stimmig anfühlt. Und auch die wöchentlichen Shows und Berichte der Entwickler, die den Backern den aktuellen Stand näher bringen, sollen nicht unerwähnt bleiben.
Doch das würde irgendwann den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dem interessierten Leser und vielleicht angehenden Raumpiloten kann ich nur einen Blick auf die RSI-Website empfehlen, welche umfangreiche Informationen bietet. Auch die Community rund um Star Citizen ist schon lange vor der Veröffentlichung des fertigen Spiels zum Teil sehr aktiv.
Schön auf den Punkt gebracht wird es auch im Video Imagine: Star Citizen. Mit Spielgrafik der aktuellen Alpha-Version wird hier stimmungsvoll ein Teil davon gezeigt, was Star Citizen einmal werden soll.
2945 SET, dritter Stern von Links
Der Kurs liegt an, das Schiff ist klar gemacht, die Crew ist motiviert. Langsam schiebe ich den Schubhebel meiner RSI Constellation, der Serene Quester, nach vor und das Hochfahren der Triebwerke bringt das Schiff zum Vibrieren. Vor uns das Licht der Sterne, das Abenteuer beginnt...
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Eine kurze Geschichte des UEE
Zu Beginn des Star-Citizen-Projekts – während der initialen Crowd-Funding-Kampagne – wurde die Entwicklung der Menschheit von der Gegenwart bis ins 30. Jahrhundert in-fiction in Form von Time Capsules gezeigt, kurzen Ausschnitten aus Nachrichtensendungen oder Berichten.
Hier ist eine komprimierte Zusammenfassung dieser Time Capsules. Das englische Original in voller Länge ist auf der RSI-Website zu finden.
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Konzeptbilder zu Star Citizen © Cloud Imperium Games & Roberts Space Industries