Rollenspiel-Guide für MMOs
Wie man eine Welt belebt...
Einmal hörte ich im TeamSpeak eines bekannten MMOs sinngemäß die Aussage: "Hilfe, jetzt dreht sich der Rollenspieler zu mir um. Nichts wie weg, bei den Typen weiß man ja nie..."
Nun, was hat es auf sich mit diesen komischen Typen, die sich "Rollenspieler" nennen? Was tun die so, wenn sie mal "rollenspielen"?
Dieser Guide soll eine kleine Einführung zum Thema Rollenspiel in MMOs (eigentlich MMORPG für Massively Multiplayer Online Role-Playing Game) sein und vielleicht beim interessierten Leser Neugier wecken oder Fragen beantworten. Es soll dabei natürlich in keiner Weise der Anspruch erhoben werden, vollständig oder der Weisheit letzter Schluss zu sein – insbesondere, da sich manche Mechaniken im Detail von Spiel zu Spiel unterscheiden können.
Für viele Spieler besteht Rollenspiel lediglich darin, mit einer Spielfigur durch die Welt zu laufen, sie hochzuleveln, Quests zu erledigen, Items zu sammeln und den sogenannten Endcontent zu meistern. Doch wofür braucht man dann in manchen MMOs eigene Rollenspiel-Server?
Der Unterschied zwischen dem einfachen Spielen seiner Figur und richtigem Rollenspiel liegt im Zauberwort Immersion. Mit anderen Worten dem Eintauchen und Beleben der Spielwelt durch das realistische, oder zumindest glaubwürdige, Ausspielen seiner Charakterrolle. Man steuert also nicht nur eine seelenlose Figur durch den PvE- oder PvP-Content, sondern wird Teil der Spielwelt, handelt und interagiert mit anderen Spielern so, als wäre man selbst in dieser Welt. Es hat also ein bisschen mit Schauspiel, Improvisationstheater und Geschichten erzählen zu tun. Man spielt zusammen ein gutes Buch oder einen guten Film.
Gleich vorweg – das einzig richtige oder gute Rollenspiel™ gibt es nicht. Wenn man zehn Spieler fragt, wie gutes Rollenspiel aussieht, wird man fünfzehn Antworten bekommen. Jeder hat so seine eigene Art, Dinge auszuspielen und auf andere Spieler zu reagieren. Toleranz und das Eingehen auf den Anderen ist hier gefragt.
Nichts desto trotz gibt es ein paar allgemein gültige Grundregeln, die sich beim Rollenspiel in MMOs bewährt haben. Und um diese geht es in diesem Guide.
Die zwei Goldenen Regeln
Die wichtigsten Regeln beim Rollenspiel allgemein sind, wie ich finde, die zwei Goldenen Regeln, wie sie auch in anderen Formen des Rollenspiels wie z.B. beim LARP angewendet werden.
1. Wenn du angespielt wirst, reagiere deiner Charakterrolle entsprechend glaubwürdig darauf.
2. Wenn du jemanden anspielst, gehe nicht davon aus, dass derjenige genau so reagiert, wie du es möchtest.
Anders als bei Solo-Rollenspielen am Computer sind in einem MMO nicht alle anderen Spieler nur dafür da, einen als den allmächtigen Sith-Imperator zu verehren. Die eigene Charakterrolle ist nur ein Mosaiksteinchen unter vielen, die gemeinsam eine lebhafte Welt ergeben. Wenn man seine Rolle glaubwürdig ausspielt und auf die Rollen der anderen Spieler eingeht, ist man schon auf dem besten Weg zu gutem Rollenspiel.
Doch genug der Theorie – jetzt geht's ans Eingemachte!
Ok, wie fang ich jetzt an?
Vor dem Aufbruch in die unendlichen Weiten der Galaxis steht natürlich die Erstellung des Charakters. Unabhängig von den enginetechnischen Werten der Figur, welche mehr im PvE oder PvP relevant sind, ist im Rollenspiel vorallem die Hintergrundgeschichte interessant. Woher kommt der Charakter, was macht er so den ganzen Tag, was mag er, was mag er nicht usw. Ob man einen seitenlangen Roman über seine Rolle schreibt oder nur ein paar Stichworte notiert, bleibt jedem selbst überlassen. Funktionieren wird das eine wie das andere, solange die Geschichte glaubwürdig und in sich konsistent ist.
Es kann nicht jeder den einzigen Retter des Universums spielen und wenn jeder der einzig wahre Imperator sein will, wird es auch eng, um es mal zu übertreiben. Je bodenständiger eine Geschichte ist, desto eher werden andere Spieler darauf eingehen. Dabei sollte man sich natürlich auch an die Möglichkeiten und Hintergründe der Spielwelt halten. Auch wenn ich persönlich ein Fan von Crossover bin, sehen es viele Spieler nicht gern, wenn mehrere Universen oder Spielwelten vermischt werden.
Die tatsächliche Charakterklasse und die Stufe sind hier nicht so wichtig. Als Soldat könnte man als Beispiel alles vom republikstreuen Befehlsempfänger über den dreckigen Söldner bis hin zum paramilitärischen Kriminellen spielen. Ob man das mit Stufe 50 oder mit Stufe 23 macht, ist für das Rollenspiel an sich irrelevant.
Ein paar No-Gos
An dieser Stelle kann man ein paar Dinge erwähnen, die man nicht tun sollte. Abgesehen von den vorhin erwähnten überstarken und unrealistischen Charakteren und solchen, die nicht in die Spielwelt passen, sollte man auch das sogenannte Metawissen vermeiden. Als Metawissen bezeichnet man hier das, was zwar der Spieler, aber nicht unbedingt der Charakter weiß. Als Spieler sieht man natürlich über jeder Figur den Namen schweben, man weiß sofort die Klasse und Stufe seines Gegenübers. Der Charakter selbst steht allerdings vor einer ihm völlig unbekannten Person, sofern es nicht schon eine Vorgeschichte gibt. Spieler- und Charakterwissen darf man also nicht vermischen.
Hier sollte man noch zwei Kürzel erklären, nämlich IC (In Charakter) und OOC (Out Of Charakter). Ersteres steht für alles, was den Charakter direkt betrifft, was er tut oder weiß; zweiteres für alles, was den Spieler betrifft. Metawissen ist somit klar OOC. Alternativ gibt es auch die Begriffe IT (Intime) und OT (Outtime) mit jeweils gleicher Bedeutung.
Ebenso ungern gesehen ist das sogenannte Powerplaying oder Poweremoting. Einfach gesagt sollte man anderen Spielern keine Handlungen oder Informationen aufzwängen. Wenn man in der Beschreibung seiner Handlungen die Reaktion des Gegenübers vorwegnimmt, kann dieser seine Rolle nicht mehr so spielen, wie er es gerne möchte. Genausowenig sollte man z.B. beschreiben, was man sich gerade denkt, denn sofern der andere kein Gedankenleser ist, wird er das nicht wissen. Der bessere Weg ist hier, nur das zu beschreiben, was man selbst tut und was für andere ersichtlich ist. Was die anderen Spieler daraus machen, bleibt ihnen überlassen.
Das Spiel im Chat
Im MMO-Rollenspiel läuft vieles, wenn nicht das Meiste, über den Chat. Gespräche selbstverständlich, aber auch alle Handlungen, die nicht über die Spielengine klar oder detailiert genug möglich sind. Oft sogar auch Kämpfe.
Folgend eine kurze Zusammenfassung über die üblichen Kommunikationswege im Rollenspiel. Natürlich vorausgesetzt, dass es im jeweiligen MMO die entsprechenden Möglichkeiten auch gibt.
/s oder /say – Normales Gespräch, für alle umstehenden Charaktere (Spieler) zu hören (lesen). Örtlich begrenzt.
/s Hallo wie gehts?
Rhaven sagt: Hallo wie gehts?
Hierbei wird es nicht gern gesehen, wenn Smileys und dergleichen verwendet werden. Entsprechende Mimik oder Gefühlsausdrücke sollte man per Emote vermitteln – mehr dazu weiter unten.
Anführungszeichen sind hier übrigens auch nicht nötig.
/y oder /yell – Lauthals schreien, höhere Reichweite, intensive Ausdrucksform (sollte man sparsam einsetzen).
/y Verschwinde von hier!
Rhaven schreit: Verschwinde von hier!
/w oder /whisper – Flüstern, hört nur die Zielperson. Wird auch oft verwendet, um Dinge OOC mit dem anderen Spieler zu klären.
Jetzt kommen wir zum spannenden Teil, den Emotes. Einfache und offensichtliche Handlungen kann man tun, in dem man seine Spielfigur entsprechend steuert. Also von einem Ort zum anderen gehen, sich setzen usw. Alles, was nicht mit der Spielengine darstellbar oder nicht gut genug sichtbar ist, wird über diese Emotes sozusagen erzählt. Kurze Infos werden dabei einfach zwischen Sternchen in die Aussage eingefügt.
Rhaven sagt: Hallo wie gehts? *zwinkert*
Komplexere Dinge beschreibt man in eigenen Emotes, welche mit /e, /emote oder /me erstellt werden.
/e sieht sich amüsiert im Raum um.
Rhaven sieht sich amüsiert im Raum um.
Wie weiter oben oben beschrieben, sollte man Poweremotes vermeiden.
Rhaven ist müde.
Rhaven schlägt Luke ins Gesicht, welcher bewußtlos zu Boden fällt.
Eleganter löst man das mit:
Rhaven gähnt und reibt sich die Augen.
Rhaven schlägt nach Lukes Gesicht.
Im Spiel werden oft schon einige vorgefertigte Emotes zur Verfügung gestellt. Diese haben auch oft noch eine zusätzliche Charakteranimation oder Geräusche dabei, welche die Handlung unterstreichen. Man erreicht sie entweder in einem entsprechenden Menü neben dem Chatfenster oder gibt das richtige Kürzel mit einem Schrägstrich ein.
/lachen
Rhaven lacht.
Ist eine andere Person anvisiert, beziehen sich viele dieser Emotes auf das Ziel.
Rhaven lacht Luke aus.
Puh, war's das jetzt?
Wer bis hierher durchgehalten hat, hat es schon fast geschafft. Auch wenn die hier zusammengefassten Basics vielleicht nach viel aussehen, ist die Praxis da wesentlich lockerer. Man wird sicher nicht ausgeschlossen werden, wenn man Fehler macht. Und das eine oder andere findet man schon heraus, wenn man sich mal ins Getümmel wirft und mit anderen, vielleicht erfahreneren Leuten spielt. Natürlich wird man auch immer Spieler treffen, die meinen, sie wissen es besser – doch diese darf man getrost still schmunzelnd ignorieren.
Das Wichtigste am Rollenspiel ist der Spaß an der Sache und dem Miteinander. Und die hier schon oft erwähnte Glaubwürdigkeit der gespielten Figur. Alles andere ergibt sich.